Montag, 6. Juli 2015
Ich will noch nicht sterben!
Was wohl jeder Krebspatient kennt, vor allem die palliativen: Momente der Todesangst. Situation, in denen dich die Angst im Nacken packt, kalte Panik dich überwältigt...du dich unvorstellbar ausgeliefert fühlst und nur ein einziger Gedanke wie eine Alarmsirene durch deinen Verstand kreischt; ich will noch nicht sterben!

Nach einem tollen Abend mit Freundinnen habe ich mich richtig lebendig gefühlt, wir haben gut gegessen und ein tolles Musical angesehen. Für den nächsten Morgen hat eine Freundin zum Brunch in ihren Garten eingeladen. Sie gibt sich bei soetwas immer viel Mühe, eine Sternegastronomie würde da nicht rankommen. Ich habe mich so darauf gefreut....auf dem Weg vom Auto in den Garten merkte ich schon, wie sich mein sichtfeld verengt hat und mir schummrig wurde. Kreislauf, sicher nur Kreislauf...bei den Temperaturen...andererseits, leichte Kopfschmerzen sind in den letzten Tagen ja schon immer da...also doch wieder Krebs im Kopf..? Ich musste mich erstmal in den Schatten setzen, wunderbar...alle Anwesenden bildeten ein volles und rührend besorgtes Publikum.."was brauchst du" "was kann ich tun" "Versuch doch mal"

Nur mit sehr viel Mühe hab ich's geschafft nicht lauthals loszuheulen,ich will so nicht sein! Ich will nicht die sterbende sein, um die alle kreiseln! Ich will nicht die Kranke sein, die jedes schöne Beisammensein schmeißt! Ich will nicht das Mitleid und die Hilflosigkeit in den Augen der anderen sehen! Ich will nicht die steigende Panik meines Mannes mitbekommen!
Der absolute Horror für mich: inmitten von diesem um mich schwirrenden Bienenhaufen stand mein kleiner Sohn. Er schaute mich nur mit großen, ernsten Augen an.
Und in naher Zukunft werde Ich ihn allein lassen müssen, mit all dem was er nicht versteht.

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Samstag, 20. Juni 2015
Morgengrauen
Mein Sohn und ich sind heute alleine. Aufstehen, anziehen, Frühstück....hat alles geklappt, stressfrei. Das macht mich sehr glücklich, denn es ist nach Monaten das erste Mal, dass es mir gut genug geht um mich durchgängig allein ums Kind zu kümmern.
Wir malen mit Kreide an seiner Tafel, er kritzelt wild, ich male ihm eine Sonne.
"Schatz, was ist das?"
"Sonne!"
"Genau, super!"
Dann male ich ihm ein Blatt, danach ein Herz. Begeistert kräht er "Herz!"
Ich muss Lächeln, sage ihm "Genau, ein Herz! Mamas Herz für dich!" und denke mir dabei, dass dieser kleine Kerl buchstäblich mein Herz ist, außerhalb meines Körpers, so klein und verletzlich...
Er strahlt plötzlich, zeigt auf seine Brust, sagt:" Herz! Mama, Herz!"

Meines droht zu zerspringen, mir schnürt es den Hals zu. Diesen wundervollen kleinen Menschen muss ich bald zurück lassen, muss bald loslassen...

Ich reiße mich zusammen, weder Tränen noch lamentieren ändern etwas daran. Will ich die wenige zeit an die Trauer vergeuden?

Mein Sohn schaut mich nachdenklich an. Ich sage ihm: "Genau Schatz, da ist dein Herz. Und jetzt malen wir eine lachende Sonne zusammen, okay?"

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Freitag, 19. Juni 2015
Das "heute bin ich...." Ritual
Mein Mann und ich haben uns mal darüber unterhalten, welche Rituale aus unserer Kindheit uns bis heute in schöner Erinnerung sind. Er erzählte, dass sein Vater jeden Abend zu ihm als Bett kam um mit ihm zu beten und Gott für den Tag zu danken.

Wir sind beide nicht religiös.

Als der Krebs und die Behandlung drumherum mich dann fast in die Knie gezwungen haben und es nur noch um Leid, Schmerz und Sterben ging - da habe ich mich an die Geschichte meines Mannes erinnert. Und beschlossen, dass ich es in der Hand habe welche Dinge bei uns Raum haben. Das Schlimme teilen wir zwangsweise, aber an jedem einzelnen Tag unseres Lebens gibt es auch immer etwas, was gut ist. Für das wir dankbar sein können. Das es wert ist, ihm Platz einzuräumen.

Seit dem ist unser Ritual beim Abendessen:" ich bin heute dankbar für!"

An den schlimmsten Tagen konnte ich immernoch Dinge finden wie den einen Sonnenstrahl, der durchs Krankenhausfenster auf meine Decke gefallen ist. Das Lächeln meines Sohnes, als ich ihm über den Kopf gestrichen habe.

An guten Tagen ist es natürlich viel leichter und viel mehr. Unser Sohn ist noch zu klein zum mitmachen, mein Mann und ich haben damit aber jeden Tag einen glücklichen Moment.

Versuchen Sie es auch, ich kann es nur jedem empfehlen - den Gesunden wie den Kranken.

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Der "OHHHH GOTT DU ARME!!!" Monolog
So.

Jetzt tu ich's doch und fange an öffentlich zu schreiben... Also am besten so anfangen wie auch alle realen Gespräche seit gefühlt unendlichen Monaten verlaufen.

Ja, ich bin krank. Ja, es ist Krebs. Nein, der ist nicht mehr heilbar, ich werde palliativ behandelt. Ja, ich bin erst Mitte 30. Wie lange noch? Also, eigentlich hielten meine Ärzte das letzte Weihnachten schon für schwierig.
Noch nicht dramatisch genug? Ich habe einen Sohn der gerade eben 2 Jahre alt wurde. Die Krankheit hat mich erwischt als er 7 Monate war und mich seit dem durch die Hölle geschickt, alle um uns herum natürlich auch.



Warum ich diesen Blog anfange?

1. Ich bin mehr als nur diese viel zu früh sterbende Mama. Und einiges davon mag ich teilen können, ohne in aufrichtig mitleidige Augen zu sehen. Und mit Menschen, die nicht all den krankheitsmist hautnah mitbekommen.

2. Mein Sohn wird sich höchstwahrscheinlich nicht an mich erinnern können, wenn er größer ist. Ich führe ein Videotagebuch für ihn, aber das ist sehr persönlich. Vielleicht interessiert es ihn, wie diese Videomama im öffentlicheren Raum war? Ob ich die Dinge, die ich ihm erzähle auch nach außen gelebt habe?

3. Ich liebe mein Leben, in jedem einzelnen Moment. Viele Mitpatienten haben mir gesagt, dass meine Art Sie beeindruckt und ihnen geholfen hat. Mit solchen Aussagen kann ich immer schlecht umgehen, aber wenn es wirklich so ist, das Menschen Kraft darüber finden können, Geschichten von anderen Betroffenen zu hören - why not?


So, das war der Hammer zu Beginn, dann kanns ja jetzt in gemäßigtem Tempo weitergehen.

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